08
Aug 2010

Kappes!

Thema: Wissenschaft & Forschung

FAS_Salat_20100808Mit Deutschland verbinden sich international verschiedene Assoziationen. Einige davon sind bereits leicht verblasst. „Das Land der Dichter und Denker“, als das „wir“ einst galten sind wir nicht mehr. Dafür sind wir jetzt Pabst. Und wir sind die „Krauts“. Und das liegt daran, dass wir in Deutschland viel Kohl verzehren. Einen Großteil davon als durch Gärung konserviertes „Sauerkraut“. Eignet sich gut als Beilage zum Braten. Oder (mit Würstl oder Leberkäs) zum Bier – dann vielfach auch „bayrisch Kraut“ genannt. Kohl gibt es Weiß und Rot und Grün. Allen Kohl-Sorten ist es gemein, dass sie sehr nahrhaft sind. Sie machen „satt“. Und sind nicht zuletzt deswegen sehr beliebt!
Auch bei Journalisten, wie Jörg Ahlbrecht. Er ist der Autor eines großen Beitrages in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung von heute. Schon in der Überschrift „Salat. Nicht mal ein Gemüse“ war abzulesen, dass der Autor Salat für reichlich überflüssig hält. Grundtenor des Beitrages: Es ist nicht viel mehr als eine Modeerscheinung. Gesundheitlich macht es wenig Sinn, Salat zu essen, da wenig Nährstoffe enthalten sind, die ohnehin entweder umstritten (Folsäure) oder mit geringerem Aufwand in anderen Nahrungsmitteln zu finden seien (z.B. Polyphenole in Kaffee). Satt jedenfalls könne man von Salat, anders als von Kohl (obendrein noch viel reicher an Vitamin C), nicht werden, da er zu wenig Kalorien enthalte. Wer Salat ißt, bedient sich an Kaninchenfutter (Ruccola=Rauke) oder an quasi-Unkraut (Portulak), ist der Bebilderung zu entnehmen.
Super! Was ich anahand des Wetters (bei uns hat es heute geregnet) nicht sicher hätte bestimmen können, machte der Artikel möglich: Es ist Sommer! Und da gibt es Löcher. Jedenfalls scheint das Sommerloch die Redaktion in Frankfurt erfasst zu haben. Anders ist die oberflächlich-sarkastische Behandlung des Themas kaum erklärbar. Nur an zwei Stellen hatte der Autor lesenswerte Information versteckt: Salat muss möglichst frisch verzehrt werden. Eisbergsalat ist zwar nach Tagen noch formstabil, dann aber inhaltsleer. Und die zweite Info: Salat ist eine umgangssprachliche Bezeichnung. Ihn gibt es botanisch als solchen gar nicht, es handelt sich meistens um Gewächse aus den Familien der Lattiche oder Zichorien.
Ansonsten hätte ich mir viele Aufhänger für einen guten Artikel (im Wissenschaftsressort!) vorstellen können: Etwa über die Bedeutung von natürlicher Folsäure für den Stoffwechsel, die sehr gut über frisches grünes Blattgemüse gedeckt wird. Oder über die Bedeutung einer ausgewogenen kalorienreduzierten Ernährung, zu der regelmässiger Verzehr von frischem Gemüse einen zentralen Beitrag leistet genau so wie der Verzehr von hochwertigen Proteinen und Fettsäuren aus dem Verzehr von frischem Fisch.
Eigentlich ist es eine Banalität, doch angesichts solch frappierender Unbedarftheit in der Berichterstattung scheint es angebracht, nochmals darauf hinzuweisen: Es ist ein Irrglaube, bestimmte Nahrungsmittel seien entbehrlich und „unnötig“. Ausgewogenheit und Vielseitigkeit in der Ernährung ist die Grundlage für gesundheitliche Prävention. Einseitigkeit und Bequemlichkeit bei der Nahrungsaufnahme (Fast Food, Fertiggerichte, Kantinenessen) sind dagegen Hauptursachen für das Entstehen von Mangelversorgung mit lebenswichtigen Vitalstoffen. Und so werden viele Menschen unnötig zu Pflegefällen, anstatt ihr biologisches Potenzial voll auszuschöpfen. Es ist leider bezeichnend für die Ignoranz in einigen Redaktionsstuben, dass die FAS an diesem Tag diese Pflegebedürftigkeit der Deutschen beklagt und gleichzeitig mit ihrem Salat-Stück dazu beiträgt, dass sich die Defizite weiter verstärken. Kohl ist gesund, aber zuviel davon produziert Kappes! Auch in der FAS!


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2 Kommentare
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Oliver Rumpf
13 Jahre zuvor

Solche Berichte sind für mich immer wieder eine Bestätigung, daß ich nichts verpasse, indem ich seit Jahren KEINE Zeitung mehr lese.
Schade nur um die Meschen, die immer noch alles ungeprüft und ohne das eigene Gehirn zu benutzen glauben, was das so alles schwarz auf weiß steht.
Danke Uwe für die immer wieder tolle Aufklärungsarbeit

Halina
Halina
13 Jahre zuvor

Ja, auch ich will danke sagen für diese ausführlichen Informationen, die ich gerne weiterleite.
Wie kann man so verbohrt sein und sich die gesund erhaltenden Vitalstoffe abschwatzen lassen durch solche Ignoranten. Dann lieber KEINE Zeitung und KEINE Nachrichten (wie Oliver schon sagte), dafür Bücher darüber und einfach Selbstverantwortung übernehmen.