30
Dez 2019

»Die Dinge ändern sich Schritt für Schritt«

Thema: Gesundheit & Politik

Vollständiges Interview von Barry Bryant mit Dr. med. Dwight McKee, aus dem Buch „Cancer and Consciousness“, Boston 1990, Samaya Foundation

Seite 195 Cancer as Teacher
Faksimile der Titelseite des Interviews von Barry Bryant mit Dr. Dwight McKee aus dem Buch „Cancer and Consciousness“, Boston 1990

Im Rahmen einer Recherche über ganzheitliche Medizin und integrative Onkologie ist mir vor einigen Monaten das Buch „Cancer and Consciousness“ in die Hände gefallen. Es handelt sich um einen Sammelband verschiedener Interviews des Herausgebers Barry Bryant mit Medizinern, Wissenschaftlern und Persönlichkeiten des Öffentlichen Lebens. Ziel des Buchs ist ausweislich des einführenden Kapitels der Versuch, Krebs als Phänomen und als Erkrankung zu verstehen und insbesondere den engen Blickwinkel auf Krebs als Feind zu weiten und nach Lehren und Rückschlüssen zu suchen, die eine ganzheitliche Betrachtung des systemischen Phänomens ermöglichen könnte. Neben einem Interview mit S.H. dem XIV. Dalai Lama hat mich ein Interview mit dem Onkologen Dwight McKee fasziniert. Nachfolgend bringe ich mit seinem Einverständnis die Übersetzung des Interviews von Barry Bryant mit Dr. Dwight McKee im kompletten Umfang.

BRYANT: Sie verfügen über eine Menge Erfahrung in der Entwicklung und Anwendung unterschiedlichster Ansätze zur Behandlung von Krebs. Welches ist Ihrer Meinung nach unser größtes medizinisches Problem heute?

McKEE: Aus meiner Perspektive scheint das grundlegende Problem darin zu bestehen, dass wir uns viel mehr um die Behandlung von Erkrankungen und zu wenig um die Stärkung der Gesundheit kümmern. Tatsächlich geben wir gute zehn Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für die Behandlung von Erkrankungen aus. Präventive Medizin haben wir komplett vernachlässigt. Anstatt Menschen zu helfen, gesund zu bleiben, verwenden wir all unsere Energie darauf, Arzneien für Krankheiten zu entdecken, die bereits dramatische Symptome entwickelt haben. Unser Gesundheitswesen lässt uns hilflos zurück mit dem allgemeinen, weit verbreiteten Gefühl von Unwohlsein fertig zu werden, welches heute das größte Problem darstellt.

BRYANT: Was Sie beschreiben, hört sich an wie das, was ich „Vor-Erkrankungs-Syndrom“ nenne.

McKEE: Das stimmt. Das häufigste Symptom dieser „Vor-Erkrankung“, ein Gefühl von Abgespanntheit und „alles-zuviel“, lässt sich in keiner Standard-Blutuntersuchung, EKG oder Röntgenaufnahme abbilden. Menschen, die dieses Symptom befällt, benötigen Hilfe, aber sie werden von unserem Gesundheitssystem im Stich gelassen: „Wir haben kein Interesse daran, Ihnen zu helfen, solange Sie nicht schwer erkrankt sind,“ scheint es zu sagen. Ärzte im modernen westlichen System sind ausgebildet worden, lediglich fortgeschrittene, manifeste Krankheiten zu erkennen und zu behandeln. Wenn Patienten zu Ihnen in die Praxis kommen, weil sie sich „nicht gut“ fühlen, sagen sie diesen Menschen viel zu häufig, „bei Ihnen ist alles in Ordnung„. Dieser Arzt wird vielleicht noch ein Beruhigungsmittel verschreiben, oder Psychotherapie. Dabei wissen wir inzwischen, dass psychosomatische Störungen im Zusammenhang stehen mit Ursachen wie Stress, Bewegungsmangel oder schlechter Ernährung.

Wenn es uns wirklich darum gehen würde, Wohlbefinden zu erhalten, würden wir Maßnahmen ergreifen, wenn ein Patient die ersten Beschwerden äußert. Wir würden die Ursachen von Stress ermitteln, Arbeitsbedingungen und familiäre Situationen, Ernährung- und Bewegungsgewohnheiten, den Konsum von Kaffee, Alkohol, Tabak und anderen Suchtmitteln. Wir würden vorschlagen, den Lebensstil zu ändern und ein Körpergefühl zu entwickeln, um dann zu schauen, ob diese Maßnahmen zu einer Besserung der Beschwerden führen. Ganz allgemein würden wir danach streben, den Patienten zu kräftigen, damit sich Krankheit erst gar nicht manifestieren kann.

BRYANT: Haben Sie den Eindruck, dass solche Änderungen des Lebensstils und die Umstellung auf gesündere Gewohnheiten solche ernsthaften Erkrankungen wie Krebs tatsächlich verhindern könnten?

McKEE: Man kann nicht einfach sagen, dass Krebs verhindert werden kann durch eine Änderung des Lebensstils, aber festzustellen bleibt, dass die präventive Medizin es Wert ist, ihr mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als das gegenwärtig der Fall ist.

Wenn wir in die Vorgeschichte von Krebspatienten schauen, stellen wir regelmässig fest, dass diese Menschen bereits drei Jahre lang oder mehr zum Arzt gegangen waren und allgemeine Beschwerden geäussert haben. Ihnen wurde gesagt: „Bei Ihnen ist alles in Ordnung,“ weil die Ärzte in einer körperlichen Untersuchung und den üblichen Tests keine Störung diagnostizieren konnten. Unsere Neigung, nur nach akuter Pathologie zu suchen, übersieht, dass es konkrete Faktoren gibt, die die Gesundheit schwächen, und die unsere Fähigkeit untergräbt, Krankheiten vorzubeugen. Und es ist gefährlich, weil wir den Menschen nicht zeigen, wie sie ihre Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten aufbauen können.

BRYANT: Welche Art der Prävention empfehlen Sie Menschen, die ihren Körper wieder ins gesundheitliche Gleichgewicht bringen oder dort halten möchten?

McKEE: Es ist ganz extrem wichtig, Exzesse mit Drogen zu vermeiden, und dazu zählen auch Tabak, Alkohol und Kaffee. Diese Substanzen erzeugen ein Ungleichgewicht, was der Körper mit sehr hohem Energieaufwand zu kompensieren versucht, um wieder in die Balance zu gelangen. Aber die beste Prävention ist ganz einfach, die Gewohnheiten zu pflegen, welche gute Gesundheit fördern: eine ausgewogene und vollwertige Ernährung, Bewegung, auf die eigenen Gefühle achten, die eigene Kreativität ausleben, und das tun, was uns glücklich macht. Also das machen, was sie aus ganzem Herzen machen wollen.

Die Art wie wir Leben beeinflusst, ob wir in Balance leben oder aus dem Gleichgewicht geraten, und ich bin überzeugt, dass ein ausgeglichenes Leben körperliche Balance fördert. Und mit Balance ist das ganze Wesen einer Person gemeint, inklusive ihrer Grundhaltung.

BRYANT: Wie groß schätzen Sie den Einfluss der persönlichen Einstellung oder Haltung auf unsere Fähigkeit ein, Krebs vorzubeugen, und vielleicht gar auch auf die erfolgreiche Behandlung?

McKEE: Mir kommt es so vor, dass Einstellung die Richtung bestimmt, sowohl was die Forschung als auch die Behandlung angeht, und zwar ebenfalls auf der Ebene des Individuums als auch auf der Ebene unserer Gesellschaft.

Wenn Menschen mit Krebs konfrontiert werden, kommen am besten diejenigen damit klar, die innehalten und ihr Leben betrachten. Jene, die bereit sind, alles zu überprüfen, was ihnen wichtig und unwichtig ist. Es sind die Menschen, die bereit und entschlossen sind, eigene Gewohnheiten zu verändern. Sie hören auf zu rauchen, sie sind bereit, ihre Ernährung zu verändern oder auch die Art des Umgangs mit ihren Familien und Freunden. Sie sind stark genug und flexibel genug, alte Gewohnheiten aufzugeben, die die Entstehung von Krebs physiologisch begünstigen.

Demgegenüber sind Menschen, die starr an ihrer alten Lebensweise festhalten und einfach den Arzt auffordern, ihnen Arzneien oder Bestrahlung zu verordnen, die den „Feind“ vernichten, der ihren Körper befallen hat, diejenigen, denen es weniger gut geht.

Es ist essentiell, dass wir als Individuum auf unsere eigenen Muster schauen und sie überprüfen. Damit gelangen wir in die Lage, an den Dingen zu arbeiten und das zu verändern, was einen negativen Effekt auf unsere Gefühle oder auf andere Bereiche unseres Lebens ausübt.

BRYANT: Doch selbst große Veränderungen der Einstellung zum Leben und in der Lebensweise selbst können zu wenig sein, wenn ein Krebs von Faktoren verursacht wird, die wir nicht beeinflussen können.

McKEE: Ja, genau so ist es. Und das schliesst Umweltgifte ebenso ein wie eine Reihe weiterer Probleme. Der Mensch lebt nicht im Vakuum. Wir alle werden von den gesellschaftlichen Bedingungen und den jeweiligen Energiefeldern berührt, die dort herrschen. Und dennoch ist es vernünftig, uns zu vergegenwärtigen, was wir über die Stellschrauben persönlicher Gesundheitsvorsorge wissen. Selbst dann, wenn wir wissen, dass es nicht allein von uns abhängt, ob wir gesund sind.

BRYANT: Sehr viele Menschen übernehmen mehr Verantwortung für ihre Gesundheit, indem sie sich an Therapeuten wenden, die Wert darauf legen, dass Patienten aktiv mitwirken. Es gibt Chiropraktiker, die sich mit Ernährung beschäftigen, Heilpraktiker und andere Therapeuten, die sich mit mehreren Aspekten präventiver Medizin beschäftigen, Ernährung, Bewegung und Stressmanagement eingeschlossen. Und auch Chemotherapeuten, Radiologen und Chirurgen sprechen sich mehr und mehr für Ernährungsumstellungen oder andere begleittherapeuthische Maßnahmen aus, um die ihren klassischen Behandlungsansatz zu ergänzen.

Buchcover von „Cancer and Consiousness“

McKEE: Ja, zum Glück ist das so! Die fortschreitende Vernetzung persönlicher Computer, die Entwicklung von Softwaresystemen für „Experten“, die Vermarktung von labordiagnostischen Tests an den Endverbraucher und eine Rückbesinnung auf ursprüngliche Ernährung, Kräuterheilkunde und Homöopathie gehören zu den Faktoren, die das Gesundheitswesen in den nächsten zehn Jahren radikal verändern könnten.

BRYANT: Glauben Sie, dass dies Ärzten helfen wird, einen scheinbar riesigen Graben der Trennung zwischen konventioneller schulmedizinischer Praxis und ganzheitlicher Medizin zu überwinden?

McKEE: Bis jetzt ist die Polarisierung zwischen der neu entstehenden Vereinigung Ganzheitlicher Mediziner Amerikas (AHMA) und der übermächtigen American Medical Association (AMA) extrem kontraproduktiv gewesen. Im Jahr 1982 hat die AMA die Möglichkeit, dass Ärzte Weiterbildungskurse der AHMA angerechnet bekommen, einfach abgeschafft. Begründet wurde dies damit, dass es der AHMA an einem hauptberuflichen Weiterbildungsausschuss mangele. Als ob sich eine junge Fachvereinigung wie die AHMA dergleichen leisten könnte!

Mit solchen Maßnahmen vergrößert man die Trennung. Seit 1986 sehen wir nun Zeichen beginnender Verständigungsbereitschaft.

Heute schliessen sich mehr Ärzte der AHMA an, weil sie mit den ihnen verfügbaren anerkannten Behandlungsmethoden persönlich unzufrieden sind, oder weil sie einfach mehr fachlichen Austausch mit ganzheitlich praktizierenden Kollegen suchen. Dahinter steht eine wachsende Anzahl von Ärzten, die sich mit ganzheitlichen Methoden und Ansätzen vertraut machen und sie in ihre Praxis integrieren. Die Dinge ändern sich also, Schritt für Schritt.

Ein Wandel und seine Ursachen

BRYANT: Was ist Ihrer Meinung nach die Ursache für diesen Wandel?

McKEE: Einen erheblichen Anteil daran haben natürlich die Patienten, die Druck machen. Aber auch die Ärzte selbst wollen Veränderung! Viele Ärzte joggen heute oder machen Laufsport für ihre persönliche Gesundheit. Sie behandeln gerne auch ihre Laufpartner. Dabei wird den Ärzten auch bewusst, welchen Unterschied Ernährung in ihrem eigenen Leben machen kann. Auf diese Weise erkennen sie dann, dass es sich lohnt, auf die Ernährung der Patienten zu achten.

Daneben gibt es auch weiterhin Ärzte, die auf ihre Gesundheit achten und sich bewegen und bewusst Ernähren, aber ihre Patienten ansonsten weiterhin ziemlich konventionell diagnostizieren und behandeln. Doch selbst wenn sie konventionell behandeln, sind auch diese Ärzte nicht mehr vergleichbar mit jenen übergewichtigen Kettenrauchern, die ihren Patienten das Rauchen verboten und sie zum Abnehmen verdonnert haben.

BRYANT: Ganz grundsätzlich gefragt: was wären Mittel und Wege, die konventionelle Medizin besser zu machen?

McKEE: Meiner Meinung nach sollte das bereits bei der Auswahl der Bewerber für ein Medizinstudium beginnen. Die Bewerber werden heute danach ausgewählt, ob sie konzentrationsfähig sind und ein Typ sind, der von der linken Gehirnhälfte gesteuert wird. Also tendenziell stringent denkt und logisch-analytisch vorgeht. Dies sind meistens Menschen, die viel lernen und wenig anderes unternehmen, auch weil das Studium so hohe Anforderungen stellt. Im Ergebnis haben diese Kandidaten weniger Gelegenheit, zwischenmenschliche Kommunikationsfähigkeit zu trainieren. Wir produzieren also Ärzte, die nicht gut mit ihren Patienten kommunizieren können, oder solche, die sich eng auf einen Bereich der Technologie oder einen anderen Bereich spezialisieren, bei dem wenig zwischenmenschliche Beziehung gefragt ist.

Aber ich stelle fest, dass sich auch hier ein Wandel zum Besseren abzeichnet. Man hat inzwischen eine ganze Reihe von Studien zu verschiedenen Aspekten der Medinzinerausbildung unternommen, um herauszufinden, wie man mehr komplette Persönlichkeitstypen für die Medizin gewinnen kann. Auch mehr Frauen. Allein dadurch wird sich ein gewisser Ausgleich ergeben.

BRYANT: Wir haben vorhin über die Bedeutung der Einstellung des Patienten für den Ausgang des Genesungsprozesses gesprochen. Aber wie sieht es mit der Einstellung des Arztes aus?

McKEE: Ärzte, die ihren Beruf bewusst und leidenschaftlich ausüben, werden immer bessere Resultate erhalten, als jene, die sich nur an Richtlinien halten, weil sie ihnen beigebracht worden sind. Persönlich glaube ich sogar, dass sich die Einstellung des Arztes auf die Immunabwehr des Patienten positiv auswirkt.

BRYANT: Ich erinnere mich daran, dass in meiner Kindheit die Mimik und Gestik des Arztes an meinem Krankenbett erhebliche Auswirkung auf meinen Heilungsprozess hatte. Können Sie näher darauf eingehen, wie das Immunsystem mit der Einstellung und der Psyche zusammenhängt?

McKEE: Psychoneuroimmunologie ist ein eigenes Fachgebiet. Die Verbindung zwischen der Psyche und dem Immunsystem ist in zahlreichen Tierversuchen dokumentiert worden. Beispielsweise hat man Affen einer Substanz ausgesetzt, die die Zahl ihrer Weißen Blutkörperchen erhöht oder dezimiert hat. Gleichzeitig hat man sie einem bestimmten Geruch ausgesetzt. Wenn sie später nur dem Geruch ausgesetzt wurden, hat sich die Zahl ihrer Weißen Blutkörperchen in der selben Weise verändert. Das beweist, dass das Immunsystem auf unterschiedliche Weise beeinflusst und konditioniert werden kann. Dies ist nur ein einfaches Beispiel für die Verbindung zwischen Immunsystem und Psyche. Ein Fachgebiet mit sehr fruchtbarer Forschung hat sich hier entwickelt.

BRYANT: Können Sie etwas zur Wirkung von Meditation und anderer kontemplativer Methoden sagen, die Stress reduzieren und Entspannung bringen? Was genau geschieht da auf biochemischer oder biophysikalischer Ebene?

McKEE: Stress regt das sympathische Nervensystem an, es aktiviert unsere Nebennieren, die daraufhin Adrenalin ausschütten und uns auf eine Konfrontation vorbereiten, oder auf die „Flucht“ vor einer Bedrohung. Meditation und andere kontemplative Techniken haben den gegenteiligen Effekt. Dadurch wird das sympathische Nervensystem beruhigt. Gleichzeitig wird durch kontemplative Aktivität eine Aktivierung des parasympathischen Nervensystems ausgelöst. Der Parasympathicus unterstützt die Verdauung ebenso wie das Immunsystem. Regelmäßige Übungen in Meditation und Visualisierung hat in Studien nachweisbare Wirkung auf Krebspatienten, indem es die Zahl der Lymphozyten erhöht. Zudem sind diese Techniken wohl auch vorbeugend wirksam.

BRYANT: Haben Sie den Eindruck, dass praktiziertes Mitgefühl und Empathie von Medizinern, Angehörigen und anderen Beteiligten an der Fürsorge für Patienten ähnliche beruhigende und heilsame Wirkung haben könnte?

McKEE: Ich denke, dass die Erfahrung von Liebe oder Mitgefühl dazu beiträgt, das Energiefeld von Patienten auszugleichen. Es dient der Beruhigung des Nervensystems und hemmt die Ausschüttung von Adrenalin, welches durch die Ängste der Patienten stimuliert wird. Das ist wichtig, weil Angst auf der psychologischen Ebene verheerende Wirkung entfaltet. Angst unterdrückt das Immunsystem und ist in dieser Hinsicht ganz sicher einer der tödlichsten Aspekte von Krebs.

BRYANT: Sie haben im Vorgespräch am Telefon davon gesprochen, dass eine Ihrer Krebs-Patientinnen verstarb, die zuvor große Ängste überwunden und eine dramatische psychische Entwicklung erfahren hatte, während sie in Ihrer Behandlung war. Können Sie etwas zu den Erkenntnissen sagen, die Sie durch Ihre Arbeit mit der Patientin gewonnen haben?

McKEE: Linda war 19 Jahre alt, als sie sich mit lymphoblastischem Lymphom bei mir vorstellte. Sie war in sehr schlechter Verfassung und hatte erlebt, wie mehrere Familienangehörige trotz Chemotherapie an Krebs gestorben waren. Sie hatte große Angst vor der Erkrankung, aber sie hatte auch große Angst vor dem Leben. Sie fühlte sich gefangen in einer ausweglosen Situation.

Wir begannen mit Traumtherapie, Familientherapie, Visualisierung und arbeiteten viel mit der Voice Dialogue Methode. Dabei handelt es sich um einen psychotherapeutischen Ansatz, der C.G. Jung’s Arbeit mit Transaktionsanalyse, Gestalttherapie, Psychodrama und Psychosynthese kombinierte. Außerdem haben wir mit Bestrahlung und in begrenztem Umfang mit Chemotherapie gearbeitet, dazu die Ernährung verändet und einige weitere Ansätze genutzt.

Auf der persönlichen Ebene war ich es, der stets sehr viel von meinen Patienten gelernt hat. Einge Patienten haben bewirkt, dass ich mich ins Studium der Bücher vertieft habe, andere haben meine Praxis um einen neuen Ansatz erweitert. Bei Linda geschah beides. Obwohl sie letztlich starb, hat sie sich auf wundervolle Weise während ihrer Krankheit entwickelt. Sie wurde stärker, entwickelte mehr Selbstbewusstsein. Sie entwickelte sowohl Hoffnung als auch Demut und Annehmen. Sie öffnete sich und wurde kommunikativer. Linda zeigte mir alle Elemente, die es braucht, wenn man mit Menschen zusammenarbeitet, die erkrankt sind. In ihrem Fall war die Stabilisation ihrer körperlichen Konstitution tatsächlich zweitranging, gewissermaßen ein Weg, um Zeit zu gewinnen, damit sie sich selbst kennen und die Bedeutung ihrer Krankheit verstehen lernen konnte. Dies war die Voraussetzung für die Fortschritte, die sie machen musste, um psychologisch heil und ganz zu werden. Heil auf der psychologischen Ebene [geht für Krebspatienten] nicht immer mit körperlicher Gesundung einher. Körperlich hat sie sich nicht mehr erholt.

Meine Erfahrung mit und die Begleitung von Linda hat mich mit vielen der neuesten Behandlungstechniken in Berührung gebracht, die in der Krebstherapie eingesetzt wurden. Das war ein Faktor bei meiner Entscheidung, in die klinische fachärtzliche Ausbildung zurückzukehren und mich zum Onkologen fortzubilden. Ich wollte die neuen Methoden besser studieren und verstehen.

BRYANT: Wie stehen Sie heute zu der Anwendung experimenteller, alternativer Methoden? Betrachten Sie sich noch als Kommunikator, als Bindeglied?

McKEE: Absolut! Ich sehe mich in erster Linie als Integrator, als jemand mit einem breiten Überblick über die zur Verfügung stehenden Behandlungsansätze und auch über die Möglichkeiten, wie sie am effektivsten kombiniert werden können. Wir benötigen Systeme, um die Psyche aufzufangen. Und wir benötigen Zugang zu den Techniken, die die körperliche Symptome stabilisieren können. Wir müssen lernen, die neuen Technologien flexibler einzusetzen. Ich möchte mich viel besser mit den technologischen Innovationen und Trends auskennen, um einen besseren Beitrag zur Erforschung dessen zu leisten, was uns zeigt, wie es alles miteinander kombiniert werden kann.

BRYANT: Die Hospizbewegung ist sehr darum bemüht, die psychologische und spirituelle Befindlichkeit von sterbenden Krebspatienten zu verbessern. Aber der Umgang mit dem Tod und das Sterben selbst sind weit davon entfernt, medizinisch Priorität zu genießen.

McKEE: Bis es soweit ist, haben wir noch viel zu tun.

BRYANT: Was sind Ihrer Meinung nach aus der heutigen Perspektive die Stärken oder Vorteile konventioneller Krebstherapie?

McKEE: Als Ergebnis von Früherkennung und Behandlung, besseren chirurgischen Möglichkeiten und durch ein besseres Verständnis der Toxikologie von Chemotherapeutika, ist die konventionelle Krebstherapie heute in der Lage, Menschen zu fünf Jahren und mehr an Lebenszeit nach einer Diagnose zu verhelfen. Aber eines unserer größten Probleme ergibt sich im Hinblick auf diese Fünf-Jahres Erfolgsstories: es ist ziemlich irreführend, diese Menschen, die fünf Jahre nach einer Diagnose überleben, als „geheilt“ zu betrachten.

In einer Studie, die im New England Journal of Medicine im Mai 1986 veröffentlicht wurde, hat Dr. John Bailar, ehemals vom National Cancer Institute und heute vom Harvard Department for Public Health gezeigt, dass trotz dieser Verbesserung in der Fünf-Jahre-Überlebens-Statistik die Anzahl der Menschen, die an Krebs sterben, seit Jahren kontinuierlich steigt.

Ein aufgeschlossener Ansatz von Heilung

BRYANT: Was könnte Ihrer Meinung nach eine Lösung sein?

McKEE: Ganz grundsätzlich glaube ich, dass wir uns in Richtung eines viel aufgeschlosseneren Ansatzes von Heilung entwickeln sollten. Einen Tumor zu bekämpfen, als sei es ein Feind, ist nur eine mögliche Metapher für Krebs. Wir könnten uns auch entschliessen, den Krebs als Problem zu sehen, dessen Ursache in umweltbedingten und persönlichen Faktoren begründet ist. Eine [komplexe] Aufgabe, die uns einiges lehren könnte.

Anstatt uns mit aufmerksamer und konstruktiver Energie kooperativer Problemlösungsstrategien an die Arbeit zu machen, haben wir ein aggressives und polarisierendes Herangehen gewählt. Giftmülldeponien, atomare Verseuchung, Pestizide in der Nahrungskette, hoch-verarbeitete Lebensmittel, denen lebenswichtige Nährstoffe entzogen werden [müssen, um sie haltbar zu machen], sind wie auch die große Anzahl von kriegerischen Konflikten auf der ganzen Welt ein Ausdruck dieser aggressiven Energie, welche kein Korrektiv mehr hat. Unser Blick auf den Krebs refelektiert einen militärischen Ansatz in der Medizin. „Vergifte den Tumor. Vernichte den Tumor.“ Ich bin sicher, dass Ihnen diese Sprache vertraut ist. Und tatsächlich werden alle Stoffe, die in der heutigen Krebstherapie verwendet werden, auch als „Armamentarium„, also als Rüstzeug, als militärisches Waffenarsenal bezeichnet.

BRYANT: Aber ein militärisches Modell im Kampf gegen Krebs zu verwenden, scheint doch auch angemessen zu sein. Immerhin ist es doch wahr, dass die Krebszellen sich im Körper wie in einer Invasion verbreiten. Das ist doch auch in gewisser Weise militärisch, oder?

McKEE: Die Art und Weise wie wir beobachten und verstehen, was im Körper vor sich geht, ist in ganz erheblicher Weise auf Annahmen und Sichtweisen gegründet, deren Tragweite uns gar nicht bewusst ist, weil wir sie nie anders kennen gelernt haben. Wie wir in der Wissenschaft Beobachtungen beschreiben, ist tatsächlich sehr stark abhängig davon, wie die Menschen denken, welche die Theorien formulieren. Dabei gibt es eine ganze Reihe verschiedener Möglichkeiten und Perspektiven, die man für die Beobachtung ein und desselben Vorgangs einnehmen und annehmen kann. Nehmen Sie beispielsweise nur das Naturgesetz „töte, oder du wirst getötet – nur der Stärkste überlebt.“ Wir fokussieren uns dabei nur auf den Kampf um Leben und Tod zwischen zwei Rivalen. Wir könnten jedoch diesen Überlebenskampf auch als kooperatives System betrachten, welches darauf ausgelegt ist, für alle Beteiligten das „bestmögliche Gedeihen“ zu ermöglichen. Im Endeffekt hängt die eigene Perspektive sehr stark von der eigenen Geisteshaltung und der Brille ab, durch die man die Welt sieht. Wir können aber zu jeder Zeit frei wählen, die Dinge mal anders zu sehen und mit ihnen in einer neuen, positiven und produktiveren Weise umzugehen.

Seite 196 Cancer as Teacher Intro
Faksimile der Einführung von Barry Bryant zur Vorstellung von Dr. Dwight McKee eingangs des Interviews aus dem Buch „Cancer and Consciousness“, Boston 1990

BRYANT: Sie beschreiben ein grundsätzliches philosophisches Problem: Es ist uns nicht möglich, den Rahmen zu erkennen, der unseren Gedanken zugrunde liegt, weil unsere Gedanken selbst nicht über diesen Rahmen hinausgehen können, der sie begrenzt.

McKEE: Ja, genau so ist es. Wir reden nur von „Killerzellen“ des Immunsystems, weil das medizinische Modell durchdrungen ist von jener militärischen Betrachtungsweise. In der Weise, wie wir kooperative Vorgänge anstelle von kompetitiven Vorgängen betrachten, wird sich unsere Wahrnehmung und unsere Bewertung der meisten Phänomene verändert haben und weiter verändern.

BRYANT: Allerdings ist es sehr schwer, die Krankheit als Chance zum Lernen zu betrachten, wenn man selbst erkrankt ist. Wir sehen unseren Körper meistens als sei er eine Maschine, deren Mechanik irgendwie ausser Kontrolle geraten ist. Wir nehmen eine Art Macho-Haltung ein, eine Verteidigungshaltung: Krankheit ist ein Zeichen von Schwäche. „Was ich? Nein, ich bin nicht krank. Das ist nur ein kurzzeitiger Ausfall. Ich bin kerngesund. Stark wie ein Stier.“

McKEE: Sie nennen es „Macho-Haltung„, und tatsächlich ist das, was sie beschreiben ein Verhalten, welches man als maskulines Ego bezeichnet, egal ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Es ist eine Haltung der Konfrontation gegenüber der Krankheit, und dem entspricht unser Wunsch, die Krankheit zu erledigen, anstatt ihr zuzuhören. Worauf ich hinausmöchte ist dies: eine solche Haltung ist weder die einzig mögliche, noch die bestmögliche!

John Wayne ist ein Paradebeispiel für die bewusste Entscheidung, seiner Erkrankung mit einer Haltung des Starken Mannes zu begegnen. Er wurde „vom Krebs geheilt„, in dem ihm seine Lunge operativ entfernt wurde. Danach half er der American Cancer Society, mit seiner Kampage „I beat the Big C “ (Ich habe den Krebs besiegt) enorme Summen an Spenden zu sammeln. Zehn Jahre später starb er an erneut festgestelltem Lungenkrebs. Betrachtet man seinen Lebensstil und die fehlende Flexibilität [daran etwas zu ändern], war das leicht vorherzusagen.

In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass Wayne statistisch als „geheilt“ gewertet wird, weil er fünf Jahre nach der ersten OP überlebt hat. Wie ihn gibt es Millionen anderer Fälle, die an später erneut festgestelltem Krebs gestorben sind.

BRYANT: Er hat also gelebt in dem, was wir „getrogene Hoffnung“ nennen.

McKEE: Interessant, dass sie diese Formulierung verwenden. Tatsächlich müssen sich alternative Therapeuten von seiten des medizinischen Establishments häufig des Vorwurfs erwehren, sie nährten „falsche Hoffnungen„. Betrachten Sie aber einmal den folgenden Fall: Bei einem sechzigjährigen Mann wird Darmkrebs festgestellt. Er wird operiert und erhält die Aussage: „Wir haben alles entfernt.“ Der Patient freut sich daraufhin und sagt: „Ich bin geheilt, wunderbar!“ Er lebt danach weiter wie bisher, ohne Änderungen seines Lebensstils. Er hat kein Bewusstsein dafür, dass er besser etwas Zeit darauf verwenden sollte, nach Mustern zu schauen, die dazu beigetragen haben könnten, dass er überhaupt an Krebs erkrankte. Er denkt einfach, er sei ein für allemal geheilt. Dabei ist es sehr wahrscheinlich, dass zwei Jahre später Leberkrebs festgestellt werden könnte, oder Krebs im Darm wieder auftritt.

Dazu sagen die Ärzte, es sei eine Geste der Freundlichkeit, den Mann in der Annahme zu lassen, er sei geheilt, weil er so zwei gute Jahre geniessen könne. Sie wüssten auch nicht, was sie ansonsten sagen oder raten sollten. Manche Ärzte glauben sogar ernsthaft, sie hätten einen solchen Patienten geheilt. Sie bekommen nicht mit, wie er wegen Gelbsucht in ein anderes Krankenhaus eingeliefert wird, nachdem sich der Krebs in seiner Leber manifestiert hat.

In tausendenden ähnlich gelagerten Fällen wird eine Menge falscher Hoffnung durch konventionelle operative Krebstherapie erzeugt. Es gibt auch den umgekehrten Fall. Beispielsweise, wenn der Darmkrebs die Darmwand bereits durchbrochen hatte, als die Operation stattfand. Ärzte, die dem Patienten sagen wollen „was Sache ist„, werden diesem erzählen, dass nach den Gesetzen der Statistik der Krebs sicher wieder ausbrechen wird. Weil der Arzt ihm auch nicht sagen kann, welche Strategien zur Umstellung des Lebensstils ratsam wären, wird nur Angst und Hoffnungslosigkeit in dem Patienten erzeugt. Diese Furcht und Hoffnungslosigkeit können dazu beitragen, dass sich die Prognose des Arztes überhaupt erfüllt.

BRYANT: Weder im einen noch im anderen Fall werden die Patienten ermuntert, ihren Lebensstil zu ändern.

McKEE: Richtig. Krebs hat ein enormes Potential als Katalysator für persönliche Entwicklung zu wirken. Fast immer ist es ein großer Wendepunkt im Leben der Menschen.

Wenn die Gefahr der Krankheit und des Todes den Menschen aufrichtig vermittelt wird, beginnen viele, darüber nachzudenken, was ihnen wirklich wichtig ist. Eine große Zahl von genesenen Patienten berichten davon, dass sie ihre Krankheit als eine Art Verbündeten ansehen, der ihnen die Möglichkeit für ein anderes Leben beschert habe. Manche sterben, nachdem sie die Gelegenheit genutzt haben, ihr Leben ehrlich auf den Prüfstand zu stellen und einige entscheidende Veränderungen vorzunehmen.

Für sich alleine angewendet, ist die konventionelle Krebstherapie – selbst die besten der besten – häufig nicht viel mehr als ein Mittel, den Tumor für fünf Jahre loszuwerden. Danach sind die Wahrscheinlichkeiten für einen Rückfall erheblich erhöht. In diesem Sinne kann der wohlmeinende Optimismus eines Arztes tatsächlich die Chancen des Patienten von vornherein zunichte machen, die Bedeutung einiger möglicher Veränderungen in seinem Leben überhaupt zu erkennen, mithilfe derer ein Rückfall besser zu verhindern sein würde. Dieser Tatsache werden sich immer mehr Menschen bewusst, und unternehmen Schritte zu Vorbeugung. Andere Menschen, die dem, was ihr Arzt ihnen sagt, blind vertrauen, fallen diesem [blinden] Vertrauen zum Opfer.

BRYANT: Vor kurzem las ich einen Artikel, in dem berichtet wurde, dass Menschen heute unter schwachem Immunsystem leiden. Der Verfasser schien die Ursachen von vielem, von AIDS über Krebs bis hin zu Herpes in diesen grundsätzlichen Schwächen unseres Immunsystems zu sehen. Können Sie dazu etwas sagen?

McKEE: Ich glaube nicht, dass mit unserem Immunsystem etwas grundsätzlich nicht stimmt. Ich glaube aber sehr wohl, dass etwas nicht stimmt mit der Art und Weise, wie wir inzwischen diesen Planeten bewohnen. Das kann man meiner Meinung nach auch an dem allgemeinen Gefühl von Unwohlsein festmachen, über das immer mehr Menschen klagen. In vielen Fällen gibt es eine direkte Verbindung zwischen diesem Unwohlsein und der Überbesiedlung mit einem Hefepilz namens Candida albicans.

Eine Überbesiedlung mit Candida kann manche Menschen anfälliger machen für Störungen des Immunsystems, für Allergien, Krebs und für ansteckende Krankheiten. Wir erleben aktuell sprichwörtlich eine Epidemie, die eine große Anzahl von Menschen betrifft, die von diesem Umgleichgewicht in ihrem Körper gar nichts ahnen.

BRYANT: Ist für Sie die Überbesiedlung mit diesem Hefepilz auf Umstände zurückzuführen, die der moderne Lebensstil mit sich bringt?

McKEE: Ja. Die Fehlbesiedlung mit Candida wird häufig ausgelöst von übermäßigem Gebrauch von Breitspektrum-Antibiotika. Diese Antibiotika töten häufig nicht nur Krankheiten erregende Bakterien, sondern auch nützliche Bakterien. Solche nützlichen Bakterien halten die Hefepilze, die völlig normal sind bei Menschen, unter Kontrolle und verhindern die Überbesiedlung. Gleichzeitig ist Zucker die Hauptnahrungsquelle von Hefe. Allein in den USA liegt der pro-Kopf-Verbrauch an Zucker pro Jahr bei 150 Pfund. Aus dieser Überversorgung mit Zucker folgt ein unkontrolliertes Wachstum der Hefe über ihre eigentliche ökologische Nische hinaus. Die Folge ist ein chronischer Stress des Immunsystems. Das kann ein ganzes Spektrum weiterer Probleme nach sich ziehen, angefangen bei einfachen kleinen Störungen bis hin zu Symptomen, die uns absolut arbeitsunfähig machen.

Krebspatienten weisen ganz häufig eine klinisch relevante Überbesiedlung mit Candida auf. Die meisten Onkologen nehmen an, dass das Immunsystem durch den Krebs geschwächt sei. Doch es könnte auch genau anders herum sein: Die Überbesiedlung mit Candida könnte das Immunsystem geschwächt und damit die Entstehung des Krebs ermöglicht haben. Natürlich schwächt der Krebs das Immunsystem weiter und ermöglicht dann seinerseits das schliesslich unübersehbare Wachstum von Candida. Ich vermute, dass eine chronische Überbesiedlung von Hefe einen Menschen viel anfälliger für Krebs macht, weil sein Immunsystem geschwächt ist von dem konstanten Stress durch die Abwehr einer Hefeüberbesiedlung.

BRYANT: Welches sind die Symptome von Candida?

McKEE: Chronische Müdigkeit (CFS), Abgeschlagenheit, Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisprobleme und Beklemmungen sind die häufigsten Symptome. Es kann Darmprobleme geben, der Reizdarm ist häufig bei Menschen mit Candida. Bei Frauen gehören prämenstruelle Verspannungen zu den häufigen Beschwerden, die mit Candida in Beziehung stehen. Ein Blähbauch nach den Mahlzeiten. Menschen mit Candida sind auch insgesamt anfälliger, für Erkältungen und kleinere Infekte bis zu Krebs und AIDS.

BRYANT: Ist das ansteckend?

McKEE: Möglicherweise kann der Pilz von Menschen übertragen werden, aber es ist in erster Linie ein harmloser, normaler Organismus. Jeder Mensch hat den Pilz, der sich ausbreitet, wenn das Immunsystem geschwächt ist. Man findet Candida bei Menschen mit AIDS, in Menschen mit unterdrücktem Immunsystem nach Organ-Transplantation und in Krebspatienten während der Chemotherapie.

BRYANT: Was geht im Körper vor sich, das die Entstehung von Krebs fördert, wenn das Immunsystem einmal geschwächt ist durch Candida?

McKEE: Es ist eine inzwischen allgemein anerkannte Theorie, dass jeder Mensch zu verschiedenen Zeiten im Leben Krebszellen entwickelt, und dass das Immunsystem verhindert, dass diese Zellen sich zu ausgewachsenen Tumoren entwickeln. Wenn jedoch ein Mensch viel Zucker verzehrt oder Medikamente nimmt, die jene Bakterien dezimiert, welche gewöhnlich Hefepopulationen in ihrem Wachstum begrenzen, kann sich Candida so weit entwickeln, dass das Immunsystem damit nicht mehr fertig wird. Das wird dann zu einer Belastung, die nicht mehr ausgeglichen werden kann.

BRYANT: Das heisst, dass wir zwar allgemein Bakterien als Krankheitserreger betrachten, in diesem Fall jedoch Bakterien sehr nützlich sind, um die Gesundheit zu erhalten, indem sie eine Fehlbesiedelung mit Hefepilzen verhindern.

McKEE: Ja. Die Bakterien wirken zu unserer Verteidigung, aber sie können dass Bombardement mit Antibiotika nicht überleben, die wir als Arzeinmittel zu uns nehmen oder als Rückstände in Tierprodukten, die wir verzehren.

Wir müssen Lebensmittel essen, die reich an Bakterien sind, wie etwa Joghurt. Und es ist auch wichtig daran zu denken, dass Hefe nicht wirklich schnell wachsen kann, wenn sie nicht mit reichlich Zucker gefüttert wird, weil das der Nährstoff ist, auf dem sie gedeiht. Eine Ernährung, die weitgehend auf Zucker verzichtet, ist hilfreich, um die Balance zu bewahren, damit das Immunsystem nicht so stark arbeiten muss.

BRYANT: Ich verbinde Candida vor allem mit Frauen. Sind Männer ebenfalls betroffen?

McKEE: Ja, aber Candida ist so gut wie unsichtbar. Die Hefepilze leben vor allem im Darm. Frauen sind deswegen aufmerksamer, weil wenn sie von Candida betroffen sind, ebenfalls vaginalen Hefepilz-Befall bekommen. Ich vermute, dass diese Frauen Candida Kolonien in ihrem Darm haben, die sich aufgrund von geschwächten Bakterienstämmen durch Antibiotika-Einsatz bis zur Vagina ausbreiten können, wo sie dann klinisch sichtbar auftreten. Aber das ist nur die Spitze eines Eisberges. Auch viele Frauen ohne vaginalen Pilzbefall sind von Candida betroffen. Und auch Männer haben das Problem.

BRYANT: Welche Behandlung wird gewöhnlich empfohlen, wenn eine chronische Überbesiedlung von Hefe vorliegt?

McKEE: Wir stehen hier vor der Schwierigkeit, dass viele Ärzte eine Überbesiedlung mit Candida nicht als Problem erkennen. Das wird kontrovers diskutiert. Mediziner, die Candida als Problem betrachten, verordnen eine Ernährung, die weitgehend auf Zucker verzichtet, um die Hefe auszuhungern. Dazu Nystatin, ein Antibiotikum, welches auch Hefe abtötet. Es gibt auch stärkere Medikamente wie Nizoral oder Ketoconazol. Manche Ärzte entscheiden sich zum Einsatz anderer Wirkstoffe, die als Fungizid gegen Pilze wirken. Jemand, der sich in Ernährungsmedizin auskennt, würde wahrscheinlich eine zuckerfreie Ernährung empfehlen und ein begleitendes Supplementationsprogramm, welches Immunfördernde Nahrungsergänzungen umfasst wie etwa Nelken, Pau D’Arco und andere Stoffe, die die Abwehrkräfte des Körpers gegen Hefe stärken. Zusätzlich kämen Bakterien wie Acidophilus in Betracht, den man in Joghurt findet.

BRYANT: Wie wird Candida gewöhnlich diagnostiziert?

McKEE: Es gibt bis jetzt [Zeitpunkt der Veröffentlichung: 1990] kein Verfahren zur verlässlichen Diagnose für Candida, aber es gibt eine Reihe von Methoden, die uns Hinweise geben. Da wäre beispielsweise ein Hauttest mit einem Candida-Antigen. Aus Stuhlproben lassen sich auch Kulturen ansetzen. Oftmals jedoch funktionieren diese Ansätze einfach nicht. Der beste Test, den ich kenne, besteht aus einem vierwöchigen umfassenden Programm zur Senkung von Candida Populationen. Wer sich während oder nach dieser Zeit unverändert fühlt, der hat kein Problem mit Candida. Wer sich erheblich besser fühlt, oder wer sich zunächst schlechter fühlt und danach besser, hat mit einiger Wahrscheinlichkeit das Problem einer Überbesiedlung mit Candida. Solchen Personen würde ich empfehlen, dass es sich lohnt weitere sechs Monate an der Senkung der Candida-Population zu arbeiten.

BRYANT: Gibt es Literatur zu diesem Thema?

McKEE: Ja. Die zwei Standardwerke über das Candida-Problem tragen die Titel „The Missing Diagnosis“ von Dr. med. Orian Truss, welches Lehrbuchmäßig aufgebaut ist, und „The Yeast Connection“ von Dr. med. William Crook. Es gibt außerdem ein kleines Taschenbuch von Shirley Lorenzani mit dem Titel „Candida Albicans, A Twentieth Century Disease„, welches im Verlag Keats Publishing erschienen ist. Und das beste Kochbuch, das ich gefunden habe, um die passende Ernährung zuzubereiten, ist von Pat Connally und trägt den Titel „The Candida Albicans Yeast-Free Cookbook„.

BRYANT: Gibt es eine weitere Botschaft, die Sie im Hinblick auf Medizin, Heilung und Krebs im Besonderen senden möchten?

McKEE: Wir haben einen großen Fehler begangen in unserer Haltung, Krebs als einen aggressiven Feind zu betrachten, den man mit jeder verfügbaren Waffe bekämpfen müsse. So wie aber Infektionskrankheiten uns gelehrt haben, mit unseren biologischen Exkrementen umzugehen, kann auch Krebs als Lehrer betrachtet und genutzt werden, der uns eine Botschaft verständlich machen will.

Krebs hat uns bereits gelehrt, und lehrt uns weiterhin, viele Geheimnisse des Lebens zu verstehen. In dem Bemühen, ein Mittel gegen Krebs zu finden, haben wir ein viel besseres Verständnis der genetischen Struktur gewonnen. Und grundsätzlich – gesellschaftlich – betrachtet,  hat Krebs einige Botschaften für uns parat, wie etwa diese:

„Lasst uns die biologische, soziale und ökologische Gesundheit unseres Planeten zu einer höheren Priorität machen als Profit und Macht.“

Dwight L. McKee

Dem Einzelnen bietet Krebs eine Botschaft an, wenn wir uns die Frage stellen, womit wir unsere Zeit verbringen. In dem Maße in dem das Leben wertvoller, der Wunsch zu Leben größer wird, beginnen wir uns zu fragen, ob wir ein Leben führen, welches im Einklang mit dem steht, was unsere Werte sind. Wählen wir eine Karriere mit dem Ziel, andere zu beeindrucken und Anerkennung zu erhalten, oder drückt unser Beruf die eigenen gesunden, kreativen Bedürfnisse aus?

Ich meine, dass eine der zahlreichen Lehren, die der Krebs uns erteilt, die Erkenntnis ist, dass wir die toxischen Nebenprodukte unserer Industriegesellschaft entgiften müssen, anstatt sie in die Weltmeere zu kippen oder im Boden zu vergraben und damit unsere Umwelt zu vergiften. Ich bin sicher, dass es uns gelingen würde, Wege zu entdecken, aus hochgiftigen Substanzen harmlose oder gar nützliche Dinge zu entwickeln, wenn wir unseren wissenschaftlichen Sachverstand entsprechend ausrichten und einsetzen. Doch das kostet Geld und es erfordert auch eine Bindung der Ressourcen. Bislang haben wir die Lösungen bevorzugt, die das Problem „schnell“ beseitigt haben. Es mag kostengünstig sein, jemanden dafür zu bezahlen, Giftmüll in dunkler Nacht irgendwo in die Wildnis zu kippen, aber solche Aktionen haben uns riesige Umweltkatastrophen beschert.

Ich glaube, dass die stärkste Botschaft, die Krebs uns allen sendet, die Aufforderung ist, die Augen nicht länger davor zu verschließen, welche fatalen Folgen die Gier nach immer höheren Gewinnen für unsere Umwelt, unsere Nahrungskette und unsere Art zu Leben hat. Ich glaube nicht, dass wir große Fortschritte erzielen werden, wenn wir nicht beginnen, auf diese Botschaft zu hören. Krebs wird uns begleiten, solange wir brauchen, um diese Lehren zu verinnerlichen, die der Krebs uns erteilt.

BRYANT: Was Sie hier einfordern ist nichts anderes als eine weitreichende Aufklärungskampagne über Krankheit und unser Verhältnis zu unserer Umwelt.

McKEE: Das liegt daran, dass ich Krebs als eine Gesellschaftliche Erkrankung verstehe und nicht als Krankheit einer Person.

Eine der wichtigsten Maxime ganzheitlicher Heilmethoden ist die Aufforderung zur Annahme der Verantwortung für die eigene Gesundheit. Das ist sinnvoll bis zu einem gewissen Punkt, aber ich halte es für grundfalsch, einer Krebspatientin zu sagen, sie sei verantwortlich, weil sie sich nicht richtig ernährt hat, oder weil sie die falschen Gedanken hatte, oder falsche Gefühle, oder sonst etwas. Nein, das müssen wir gemeinsam lösen!

Die erfolgreichsten Behandlungsansätze, an denen ich mitgewirkt habe, teilten eine Gemeinsamkeit: sie waren jeweils eine Zusammenarbeit einer Gruppe von Menschen, die sich gegenseitig unterstützt haben und die ein gemeinsames Verständnis von dem hatten, was sie jeweils getan haben. Das funktioniert meiner Meinung nach deswegen so gut, weil Krebs einer großen kollektiven Energie entstammt und es großer kollektiver Energien bedarf, um damit fertig zu werden.

Übersetzung aus dem Amerikanischen: Uwe Alschner


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4 Jahre zuvor

[…] »Die Dinge ändern sich Schritt für Schritt« […]

Eva-Maria Wilde
Eva-Maria Wilde
3 Jahre zuvor

Ich wünschte mir ich wäre später geboren und hätte die Erkenntnisse, die ich heute habe. Wieviel Menschen hätte ich helfen können mit einem Studium der Ernährung und Genetik.

Heute brauche ich, 67, erst einmal viel Zeit die Sünden der vergangenen Jahre aus meinem Körper zu bekommen.

Aber ich Danke Gott dafür, dss ich auf Dwight McKee aufmerksam wurde, dessen Ansatz mir hilft, Gesund alt zu werden und den ich mit Feuereifer weiter empfehlen werde.