06
Jul 2022

Die Erklärung nach Jesaja 62 – Wehret den Anfängen!

Thema: Gesundheit & Politik

Seit einem bewegenden Interview mit Vera Sharav denke ich – als promovierter Historiker – noch intensiver darüber nach, welche Verantwortung ich trage als nach der Katastrophe des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs geborener Deutscher. Was bedeutet der Satz „Wehret den Anfängen“? Was waren damals die Anfänge? Und wie hätte man ihnen Einhalt gebieten können? Über die Ereignisse, die dem Holocaust vorausgingen, also der mit diabolischer Akribie und menschenfeindlicher Perfidie geplanten und an Orten wie Auschwitz durchgeführten systematischen Massenvernichtung von Millionen Menschen, hat der Auschwitz-Überlebende Marian Turski anlässlich des 75. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz am Ort selbst gesprochen. Die komplette Rede ist hier übersetzt nachzulesen [PDF]. Wer diese Rede kennt, kann nicht leugnen, dass es natürlich Analogien und Bezüge zur Jetzt-Zeit gibt. Und ein offener Brief von mehreren hundert Holocaust-Forschern an das Holocaust Memorial in Washington hat betont, dass historische Vergleiche eine Voraussetzung sind, um Lehren zu ziehen. Daher wäre es zumindest unsere Gesellschaftliche Pflicht, über die Problematik zu diskutieren, anstatt billigen Reflexen zu folgen und jede Kritik an Maßnahmen als “rechtsextrem” oder neo-faschistisch zu framen. Dass der Faschismus sich erstens nicht auf Deutschland beschränkt hat und zweitens heute in anderer Form daherkommen dürfte, hat bereits Umberto Eco herausgearbeitet – und damit mir in meiner gedanklichen Arbeit sehr geholfen: Wenn sich Opfer des Holocaust oder ihre Nachfahren, wie Sharav oder auch Andrew Barr heute berufen fühlen, uns zu warnen, dann darf uns das nicht kalt lassen! Sonst könnte es tatsächlich sein, dass wir es versäumen, den Anfängen zu wehren. Diesem Zweck, das NIE WIEDER (“Never Again” ) zu unterstreichen und den Anfängen entgegen zu treten, dient eine mutige, wichtige und kraftvolle Erklärung im Geiste des Propheten Jesajah von Andrew Barr, Vera Sharav und anderen jüdischen Mahnern zur Wachsamkeit,  die wir nachfolgend in deutscher Übersetzung dokumentieren:

Die Erklärung nach Jesaja 62

Um Zions willen kann ich nicht schweigen,
um Jerusalems willen nicht still sein

Jesajah 62,1

Als Juden, von denen viele Familienangehörige im Holocaust verloren haben, sind wir es dem Gedenken an die Ermordeten schuldig, dafür zu sorgen, dass sich die schrecklichen Ereignisse der 1940er Jahre niemals wiederholen.

Wir betrachten es als unsere moralische und religiöse Pflicht, davor zu warnen, dass die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten und der Ausschluss von Gruppen aus der Gesellschaft, die als ungesund, unrein oder anderweitig unerwünscht gelten, sehr starke Parallelen zu den Ereignissen der 1930er Jahre aufweisen, die schließlich den Weg für den Holocaust ebneten.

Es bleibt festzuhalten, dass das NS-Regime die Juden anfangs aus der deutschen Gesellschaft ausschloss, indem es behauptete, diese Maßnahmen seien aufgrund eines „Notstands der Volksgesundheit“ notwendig, um die Ausbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern. Die Anti-Covid-Politik, welche Ungeimpfte aus der Gesellschaft ausschloss und vielen anderen ihr Grundrecht auf Lebensunterhalt, Reisen, sogar auf Krankenhausbehandlung und Nahrung verweigerte, wurde mit derselben Begründung durchgesetzt.

Darüber hinaus setzen wir uns für die Einhaltung der Grundsätze des Nürnberger Kodex ein, der 1947 im Anschluss an die Nürnberger Prozesse gegen deutsche Ärzte, welche unmenschliche Experimente an den Insassen von Konzentrationslagern durchgeführt hatten, aufgestellt wurde. Der Nürnberger Kodex legt den Grundsatz der informierten Zustimmung für alle medizinischen Experimente fest und verbietet daher ganz klar das zwangsweise Tragen von medizinischen Hilfsmitteln wie Gesichtsmasken und invasive Tests, die eine Körperverletzung darstellen, sowie Zwangsimpfungen in Form von Impfpässen und Impfpflichten. Dies alles sind Versuche. Keine dieser Maßnahmen war nachweislich „sicher und wirksam“, bevor sie der Öffentlichkeit unter dem Vorwand eines “ Notstands “ aufgezwungen wurden. Darüber hinaus wurde 2005 in der Erklärung der Vereinten Nationen (UNESCO) über Bioethik und Menschenrechte der Grundsatz der Einholung der Zustimmung nach Aufklärung auf alle medizinischen Behandlungen ausgedehnt, nicht nur auf experimentelle Behandlungen.

Trotz der vermeintlichen Wiederherstellung einiger Rechte versuchen die Regierungen nach wie vor, die Menschenrechte zu beschneiden, indem sie sich auf das Konzept des „Kommunitarismus“ berufen, bei dem eine willkürliche Bewertung des „Gemeinwohls“ der Gesellschaft über die bis dahin unveräußerlichen Rechte jedes Einzelnen gestellt wird. Allerdings ist entweder das Individuum souverän, oder das Individuum muss sich der Gemeinschaft unterordnen – beide Zustände können nicht gleichzeitig herrschen.

Der Kommunitarismus unterscheidet sich nicht wesentlich von den Prinzipien des Nationalsozialismus in Deutschland, welcher die Rechte der Bürger dem kollektiven Willen des Staates unterwarf. So haben die Nürnberger Gesetze von 1935, durch die Juden von der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen wurden, einen „Staatsbürgerschaftsnachweis“ eingeführt, welcher die Unterwerfung aller Bürger unter die Diktate des Naziregimes erzwang. Regierungen, die heute versuchen, ihren Bürgern die Grundsätze des Kommunitarismus aufzuzwingen, müssen in demselben moralischen Licht betrachtet werden.

Ein Präzedenzfall ist nun geschaffen worden. Die Öffentlichkeit ist durch eine Kampagne der Angst konditioniert worden. Die Covid-Politik oder ähnliche Maßnahmen können jederzeit wieder eingeführt werden, und zwar mit fast jeder beliebigen Begründung, die der Regierung als ausreichend erscheint. Wir sind der Auffassung, dass dies nicht zugelassen werden darf, da gerade eine solche Angstkampagne – in Verbindung mit dem Unterdrücken abweichender Meinungen – die Voraussetzungen dafür schafft, dass sich totalitäre Regime durchsetzen können!

Diejenigen von uns, die versuchen, sich gegen Zensur und Diskriminierung auszusprechen, und die es wagen, die jüngsten Ereignisse mit der Geschichte Deutschlands in den 1930er Jahren zu vergleichen, werden oft der „Holocaust-Leugnung“ bezichtigt, was jedoch eine direkte Umkehrung der Wahrheit ist. Diejenigen von uns, die vor den möglichen Folgen von Diskriminierung und Unterordnung warnen, tun dies, um das Andenken an die im Holocaust Ermordeten zu ehren; diejenigen, die uns zum Schweigen bringen wollen, sind die wahren Holocaust-Leugner, da sie uns das Recht absprechen wollen, aus der Geschichte zu lernen – aus unserer Geschichte.

Die wichtigste Phrase des offiziell sanktionierten Holocaust-Gedenkens lautet „Wehret den Anfängen“. Um Vera Sharav, Menschenrechtsaktivistin und als Kind Überlebende des Holocausts, zu zitieren: „Wehret den Anfängen ist jetzt“. Jetzt ist es an der Zeit zu zeigen, dass wir die Lehren aus der Geschichte gezogen haben. Wir müssen sicherstellen, dass die Schaffung und Unterwerfung „unerwünschter“ Klassen nicht stattfindet, damit sich jene Schrecken nicht wiederholen, welche die Dämonisierung der Juden in Nazi-Deutschland nach sich zog.

Diejenigen, die nicht aus der Geschichte lernen, sind dazu verdammt, sie zu wiederholen. Wenn wir nicht in der Lage sind, an die Lehren aus dem Holocaust zu erinnern und vor den Ereignissen, die ihm vorausgingen, zu warnen, dann wird jedes einzelne Opfer des Holocausts umsonst gestorben sein.

Übersetzung aus dem Englischen von Uwe Alschner, promovierter Historiker und Mitunterzeichner der Erklärung

Bitte erwägen Sie ebenfalls eine Mitunterzeichnung der Deklaration. Dazu klicken Sie auf das Bild und scrollen auf der sich dann öffnenden Seite (English) ganz nach unten.
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