06
Mrz 2024

“Die Sorge um die Demokratie sprach aus allen meinen Äußerungen”

Thema: Gesundheit & Politik

Der Fall von Marion Schmidt ist an dieser Stelle bereits mehrfach zum Thema gemacht worden. Die mutige Frau aus dem Landkreis Dachau hat sich mit klaren Worten warned vor der Faschisierung unserer Gesellschaft ausgesprochen. Was Faschismus ist – und wie berechtigt und notwendig daher Warnungen vor einem wiedererstarkten Faschismus sind – hat auch und gerade Umberto Eco dargelegt. Marion Schmidt ist für Ihr Eintreten für Grundrechte und gegen totalitäre Tendenzen in der Coronakrise aus ihrem Job in der KZ-Gedenkstätte Dachau gefeuert worden.

Am 3. März hat nun Marion Schmidt sich mit einem Schreiben an Ihre Unterstützergemeinde gerichtet. Der Brief hat folgenden Wortlaut:

 

„Denn der Menschheit drohen Kriege,
gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind,
und sie werden kommen ohne jeden Zweifel,
wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten,
nicht die Hände zerschlagen werden.“

aus „Das Gedächtnis der Menschheit“, Bertolt Brecht 1952

Liebe Freundinnen und Freunde,

nach längerer Zeit gibt es Neuigkeiten zu meinem Rechtsstreit gegen die Stiftung Bayrischer Gedenkstätten, und der von ihr gegen mich ausgesprochenen Kündigung.

Zur Erinnerung: Die Verhandlung in 2. Instanz vor dem Landesarbeitsgericht war am 18. Juli letzten Jahres, wobei sich der Richter nach kurzer Verhandlung damit begnügte, meine Klage entsprechend der ersten Instanz abzuschmettern und per Pressemitteilung für die nötige Entwürdigung meiner Person in der Öffentlichkeit zu sorgen.

Gedenkstättenmitarbeiterin unterliegt, – hat nicht die persönliche Eignung, – es fehlt ihr an Loyalität zum demokratischen Staat, – ihre Ausführungen seien eine Herabwürdigung der Demokratie. Ich hätte gar von „Faschistenstaat“ gesprochen. Bayrischem Rundfunk und Süddeutscher Zeitung befleißigten sich, dieses Urteil in die Breite zu streuen. Sogar der Liveticker in der Münchner U-Bahn brachte die Meldung. Hätten sie das mal mit meiner Rede gemacht.

Die schriftliche Begründung des Urteils folgte dann am 20.November letzten Jahres, vertiefte aber nur die Behauptungen der Presseerklärung.

Unsere Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht gegen dieses Urteil wurde vor kurzem abgewiesen. Damit ist die Kündigung gegen mich rechtskräftig.

Man entfernte mich, weil ich angesichts der Aushebelung unserer demokratischen Rechte, der besonders verwerflichen rassistischen Spaltung der Gesellschaft in Geimpfte und Nichtgeimpfte von der schlimmsten Faschisierung in Staat und Gesellschaft seit 1945 sprach. Die Sorge um die Demokratie sprach aus allen meinen Äußerungen.

Das führte zum Vorwurf, ich sei nicht loyal genug meinem Arbeitgeber – letztendlich dem bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder, gewesen.

Die Forderung nach formaler „Loyalität ist nichts anderes als ein dehnbares Instrument, zu biegen und zu beugen, mit dem Ziel nach widerspruchsloser Anpassung und Untertanengeist. Und das bei einer Beschäftigung in der KZ-Gedenkstätte Dachau?

Wie viel wurde geschrieben und gesprochen darüber, wie der Faschismus zu verhindern gewesen wäre. Wie viel wurde geschrieben und gesprochen, dass es vorher lautstarkes Handeln braucht, um einer neuerlichen Entwicklung entgegenzutreten.

Und jetzt? Während ich das schreibe, überschlagen sich die Ereignisse. Wie müsste ich mir ein „Mindestmaß an Loyalität vorstellen, angesichts dessen, dass an höchster Stelle leitende Bundeswehrgeneräle in aller Öffentlichkeit einen Überfall auf die Krimbrücke, heißt auf Russland vorbereiten? Loyalität zum Zündeln am 3. Weltkrieg?

Wie sieht Loyalität gegenüber der Forderung „Deutschland muss wieder kriegstüchtig werden“ (Pistorius) oder dem Verlangen von Lauterbach nach dem Aufbau von Kriegslazaretten aus?

Meine Loyalität galt und gilt der Verteidigung unserer demokratischen Grundrechte und dem Vermächtnis derer, die im Kampf für Frieden und gegen Krieg und Faschismus ihr Leben ließen. Meine Loyalität gilt den Überlebenden, die sehr früh warnend ihre Stimme erhoben. „Nie wieder“ und „Wehret den Anfängen“!

Mir wurde also die persönliche Eignung abgesprochen, Rundgänge für die Gedenkstätte durchzuführen. Das ist entwürdigend.

Ganz persönlich entwürdigend.

Zementiert wurde also das Berufsverbot gegen eine Antifaschistin und Friedenskämpfern an einer KZ-Gedenkstätte.

Ein absolutes Novum.

Doch die Entwürdigung geht viel weiter. Sie trifft jeden Kollegen, jede Kollegin, sie trifft unser Rechtssystem, sie trifft die Wahrnehmung unserer demokratischen Rechte, und sie schlägt  zurück auf die Gerichte, die durch ihren Formalismus an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen.

Mein Dank gilt all jenen, die mich auf meinem Weg so solidarisch begleitet haben, durch ihren Zuspruch, durch die Unterschrift unter die Petition, durch Teilnahme an den Gerichtsterminen und Kundgebungen, aber auch durch wichtige politische Analysen, die mich in meinem Tun bestärkten. Danke an alle, die durch Veröffentlichung auf ihren Blogs und in den sozialen Medien geholfen haben, eine breite Öffentlichkeit herzustellen.

Ganz besonderen Dank möchte ich aber nach New York an die Holocaust-Überlebende Vera Sharav senden, die mich so ermutigt hat durch ihren persönlichen Brief an die Leiterin der KZ-Gedenkstätte. Eine Antwort steht bis heute aus. Erinnern möchte ich an Vera Sharav’s großartigen Einsatz zum 75. Jahrestag des Nürnberger Kodex im August 2022.

Ja, ich habe Freunde und Job verloren, aber ich habe auch viele neue Freunde gewonnen. Unser Protest war richtig, gesellschaftlich notwendig und gerechtfertigt.

Dieser Justizskandal, und das ist er, braucht Verarbeitung und Dokumentation. Geplant ist ein Film und eine Dokumentation, aber das wird noch etwas dauern.

Ich freue mich natürlich über Meinungen und Zuschriften von Euch.

In diesem Sinne,

Herzliche Grüße allen Aufrechten, unser Kampf ist noch nicht zu Ende.

 

gez. Marion Schmidt


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Manuela
Manuela
1 Monat zuvor

Es geschieht nichts mehr heimlich … öffentlich wird der Wert von Menschen diskreditiert und sie wissen was sie zu tun bzw. zu unterlassen haben … alle Menschen sind gleich … so ist es leider nicht. Sehr peinlich!!!

Reinhold Alefelder
Reinhold Alefelder
1 Monat zuvor

Ja, Herz Manuela – Nichts ist erniedrigender, als der Verrat Derjenigen, die erhaben glauben
Freunde zu sein – letztlich Dich in das Feuer zu stoßen keine Wimper zucken –
https://www.youtube.com/watch?v=y6BV1a9r_lI
In Liebe, Ihr Reinholden

Reinhold Alefelder
Reinhold Alefelder
Antwort an  Reinhold Alefelder
1 Monat zuvor
Reinhold Alefelder
Reinhold Alefelder
Antwort an  Reinhold Alefelder
22 Tage zuvor

Selbst Medien des Stroms – https://www.arte.tv/de/videos/104775-000-A/die-ns-justiz-recht-des-unrechts/ – stellen Rüstzeug für Analogien, die meiner Seite Gefängnis im
wahren Sinne meiner Worte bedeuten – hoffentlich alles Gute Ihnen Allen, in aller Liebe,
Ihr Reinholden