14
Jun 2023

Die Instrumentalisierung geht weiter – Staatsanwaltschaft in Berlin ermittelt gegen CJ Hopkins

Thema: Gesundheit & Politik

Die Instrumentalisierung rechtlicher Vorschriften zum Nationalsozialismus gegen Kritiker der totalitären Maßnahmen im Rahmen der Corona-Krise geht weiter. Nach den Anklagen wegen Volksverhetzung gegen Sucharit Bhakdi und Robert Höschele sowie einem entsprechenden Ermittlungsverfahren gegen Monica Felgendreher (weil sie eine Rede Vera Sharavs zitiert hatte), sowie nach der Anzeige gegen die Holocaust-Überlebende Vera Sharav selbst, ist nun der Autor und Künstler CJ-Hopkins ins Fadenkreuz der Staatsanwaltschaft in Berlin geraten. Im wird vorgeworfen, gegen die Paragraphen 86 und 86a verstoßen und NS-Symbole zum Zweck der Propaganda verbreitet zu haben, als er einen Tweet über sein – in Deutschland verbotenes – Buch „The New Normal Reich“ absetzte.

Man könnte über solchen Unfug (gemeint ist das Agieren der Justiz) lachen, wäre der Hintergrund – die Instrumentalisierung des Rechts gegen Kritik an behördlichen Maßnahmen zur Abwehr einer behaupteten Gefahr und zur Durchsetzung einer behaupteten Lösung – nicht so ernst. Denn Strafvorschriften, die zur Abschreckung einer Verharmlosung von NS-Unrecht und NS-Herrschaft geschaffen wurden, ausgerechnet in solchen Fällen zu bemühen, die eindeutig einer Intention dienen, den Anfängen der Entstehung von totalitärer Herrschaft zu wehren und/oder vor möglichem Genozid zu warnen, ist ein Alarmzeichen.

Im Fall von CJ Hopkins ist allerdings nicht davon auszugehen, dass die Berliner Staatsanwälte (die wie alle Staatsanwaltschaften in Deutschland einer Weisungsbefugnis der Vorgesetzten unterliegen, und die damit politisch abhängig sind, da die Justizminister der Länder die Generalstaatsanwaltschaften anweisen können) mit ihrem Vorhaben weit kommen werden. Zu deutlich steht ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 14.02.1973 im Raum [Az.: 3 StR 3/72 I]. Verhandelt wurde die grafische Darstellung einer Warnung vor der “Machtergreifung” durch Franz-Josef Strauß und Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg sen., die der ASTA der Uni Bonn gemeinsam mit der SDAJ anderen unter Verwendung von NS-Symbolen warnend an die Wand geworfen und mittels eines „Tribunals“ am 30. Januar 1971 abgewendet werden sollte. Der Bundesgerichtshof lehnte den Revisionsantrag der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch eines verantwortlichen Organisators des “Tribunals”  in besagtem Grundsatzurteil zwei Jahre später jedoch ab. Der Senat erkannte, dass der (nun auch gegen Hopkins ins Feld geführte) Paragraph 86 a StGB “soweit er sich auf Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation bezieht, diese Kennzeichen und ihre Wiedergabe, nicht aber die bezeichneten Erinnerungen von bestimmten Arten der Verwendung sowie von einer Verbreitung in der Bundesrepublik Deutschland ausschließen” will. Die “Erinnerung” – also das Ver- oder Abgleichen mit aktuellen Ereignissen zum Zweck der Verhinderung – wurde mit der höchstrichterlichen Auslegung explizit erlaubt.

Der BGH hat also bereits 1973 klargemacht, dass NS- oder andere verfassungsfeindliche Symbole, wenn sie “in bestimmter Art” verwendet werden, in ihrer Verbreitung nicht eingeschränkt werden dürfen. Seinerzeit waren die Symbole, das Hakenkreuz und der Reichsadler mit Hakenkreuz, angeschnitten und grafisch bearbeitet verwendet worden, so dass nach Meinung des BGH “… bereits nicht zweifelsfrei” sein konnte, ob es überhaupt als Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation im Sinne des § 86 a StGB anzusehen sei. Doch selbst wenn,… Darauf komme es gar nicht an, so der BGH, weil es offensichtlich war, dass die Symbole in einer Art verwendet wurden, die eindeutig sei,

(…) denn das Handeln des Angeklagten erfüllt schon deswegen den bezeichneten Straftatbestand nicht, weil nach dem gesamten Inhalt (…) eine Wirkung auf Dritte in einer dem Symbolgehalt nationalsozialistischer Kennzeichen entsprechenden Richtung nicht ausgehen kann (…) und weil ihre Verbreitung auch sonst dem Schutzzweck des § 86 a StGB erkennbar nicht zuwiderläuft.“

Zweck der Abbildungen war seinerzeit eine Warnung vor einer potentiellen neuen “Machtübernahme”.

“Die den Nationalsozialismus scharf ablehnende Haltung ist (…) ganz augenscheinlich die Werbegrundlage, die sowohl den Standpunkt des Verfassers wie den des von ihm erwarteten Publikums, auf das die [Werke] wirken sollen, kennzeichnet.“
Auch CJ Hopkins hat mit seinem Buch keinen Zweifel aufkommen lassen, dass er die Entstehung eines neuen Totalitarismus nach Art der Nazis (aber eben nicht gleichgesetzt) abwenden will. In solchen Fällen, so der BGH anhand des damaligen Beispiels, sei bereits nach ihrem Inhalt, also unabhängig vom äußeren Zusammenhang der Verwendung der Symbole, ohne weiteres erkennbar, “daß, soweit damit die Erinnerung an den Nationalsozialismus heraufbeschworen wird, dies in einem nachdrücklich ablehnenden Sinn geschieht. Die den Nationalsozialismus scharf ablehnende Haltung ist (…) ganz augenscheinlich die Werbegrundlage, die sowohl den Standpunkt des Verfassers wie den des von ihm erwarteten Publikums, auf das die [Werke] wirken sollen, kennzeichnet.“

 

Werken solchen Inhalts sei “jede Eignung fern, einer Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankengutes oder gar ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen zu dienen,” hielt der BGH höchstrichterlich fest.

Denn Personen mit neonazistischer Zielsetzung würden die Kennzeichen nationalsozialistischer Organisationen niemals in einer deren Ablehnung zum Ausdruck bringenden bildlichen Zusammenstellung verwenden wollen.

Auf eine solche Art der Verwendung könnten sich Neo-Nazis also nicht berufen, um daraus eine Rechtfertigung für eine Verwendung in ewig-gestrigem Sinn herzuleiten.

Ähnlich wie in einer Wiedergabe des Kennzeichens in abwertender Verzerrung, werden solche Personen in einer Wiedergabe in dem hier gewählten bildlichen und die Abbildung schriftlich kommentierenden Zusammenhang allenfalls eine Verhöhnung des ihnen „heiligen“ Kennzeichens erblicken.”

Die Frage, die sich die Berliner Justiz hier stellen hätte müssen bevor sie die Ermittlungen gegen CJ Hopkins aufnahm, lautet also eindeutig: Würden Neo-Nazis Hakenkreuze auf Wegwerfartikel wie Masken drucken, die in ihrem Gebrauch das, laut BGH, “heilige” Symbol mit feuchten Atem und Dreck aus der Hosentasche verdrecken und besudeln? Eindeutig nein! Allein von daher musste also jedem Juristen klar sein, dass die Art und Weise der Verwendung bei CJ Hopkins völlig unkritisch im Sinne des § 86a StGB war und ist.

Insofern offenbart sich an dieser Stelle der Skandal, welcher in der juristisch wenig stichhaltigen, mutmaßlich politisch motivierten Vorgehensweise der Berliner Staatsanwaltschaft gegen einen prominenten Kritiker liegt: harte Abschreckung, um die grundsätzliche Berechtigung von Warnungen vor dem Abgleiten in einen neuen Totalitarismus im Keim zu ersticken. Ähnlich wie die Warnungen von Überlebenden des Holocaust, die sich auf das moralische Fundament früher Warner wie Primo Levi (“Es ist geschehen, daher kann es wieder geschehen”) und der Kommission des US-Präsidenten zum Holocaust (“Der Holocaust hat nicht nur die moralische Landschaft der menschlichen Realität verändert, sondern die Beschleunigung der Technologie (…) bedroht nun die menschliche Existenz selbst.”) stützen, sind auch die Warnungen von Kritikern wie CJ Hopkins vor dem Entstehen einer totalitären Gesellschaft auf ihre Art mehr als berechtigt. Wer sich empören möchte und solche Warnungen als unangemessen abqualifizieren will, muss sich vor Augen halten lassen, dass es in der Natur jeder Warnung liegt, dass sie eine Sorge ausdrückt, um zu verhindern, dass sie zur Realität wird. Wer jedoch die Sirenen zum Verstummen bringen will, verhindert, dass die Feuerwehr überhaupt eine Chance hätte, den Brand rechtzeitig zu löschen. Es mag sein, dass die Feuerwehr umsonst ausrückt. Sie jedoch am Ausrücken zu hindern, gesellschaftliche Debatten also zu delegitimieren, ist unanständig. Warnungen sind es nicht!

Bildhinweis: Imago/ Klaus Rose (1), Screenshot Amazon (1)

 


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